Die besondere Brisanz: Wenn der Tabellenführer Bayern München beim Drittletzten der Tabelle zu Gast ist und trotzdem schon zwei Tage vorher mehr als 12.000 Leute sich ein Ticket für dieses Match besorgt haben, muss es sich ungeachtet vom Tabellenstand um ein besonderes Spiel handeln. Genau das ist am Sonntag der Fall, wenn ALBA BERLIN (4:8 Siege) den FC Bayern Basketball (9:3 Siege) empfängt. Bis auf 2023, als Ulm als lachender Dritter triumphierte, haben diese beiden Clubs sich die Meistertrophäe in den letzten sieben Jahren hin- und hergereicht. Fünfmal machten sie dabei den Titel im Finale unter sich aus. Berlin (elf Meistertitel) gegen München (sechs) ist damit aktuell unangefochten der Klassiker in der easyCredit BBL.
Status quo: Noch nie lagen ALBA und der FC Bayern dabei jedoch in der Tabelle so weit auseinander. Während die Bayern mit dem wohl hochkarätigsten Kader, den es je in Deutschland gegeben hat, sogar in der EuroLeague nach den Sternen greifen und in der easyCredit BBL so manches Spiel mit halber Kraft gewinnen können, stecken die Berliner in der größten sportlichen Krise ihrer Vereinsgeschichte. Kann ALBA ausgerechnet den Klassiker gegen den Erzrivalen jetzt als Sprungbrett aus dieser Krise nutzen? Immerhin haben sich die Berliner am Donnerstag in der EuroLeague beim 90:105 gegen Monaco mit einer respektablen zweiten Halbzeit gegen Monaco dafür selbst Mut gemacht – auch wenn die Monegassen nach hoher Halbzeitführung vielleicht etwas zu locker aus der Kabine kamen. Auch die Bayern steigerten sich am Freitag in Madrid nach schwachen ersten zwanzig Minuten, haben jetzt aber nur 40 Stunden Zeit, um sich von der 76:88-Niederlage bei Real zu erholen.
Duelle im Backcourt: Dass ALBA am Donnerstag auf Martin Hermannsson und die Bayern am Freitag auf Nick Weiler-Babb verzichten mussten, lässt befürchten, dass beide Teams auch am Sonntag ohne ihre etatmäßigen, aber angeschlagenen ersten Spielmacher antreten werden. Die Bayern haben dann mit Shabazz Napier noch einen zweiten erfahrenen Point Guard, aber dahinter muss Trainer Gordon Herbert auf der Position eins schon ziemlich improvisieren wie am vergangenen Wochenende in Frankfurt mit Andreas Obst oder am Freitag in Madrid mit Ivan Kharchenkov. Auch Carsen Edwards könnte in die Pflicht genommen werden. In Berlin kann Trainer Israel Gonzalez auf der Eins in William McDowell-White und Ziga Samar auf zwei etatmäßige Back-ups zurückgreifen, die allerdings nach Verletzungen noch nicht wieder bei hundert Prozent sind. Aber auch Matteo Spagnolo und Malte Delow haben in dieser bzw. der vorigen Saison bei ALBA schon öfter hauptverantwortlich den Ball gebracht.
Duelle im Frontcourt: ALBA BERLIN stand angeblich vor der Verpflichtung von James Webb III, der sich nun - ebenfalls laut Gerüchten - aber wohl für ein Engagement in China entschieden hat. So oder so wird ALBA am Sonntag noch keinen Ersatz für den zu Maccabi Tel Aviv gewechselten Trevion Williams aufbieten können. Auf den großen Positionen ergibt sich dadurch mit Johannes Voigtmann, Devin Booker, Oscar da Silva und Elias Harris (plus Danko Brankovic und Kevin Yebo) ein klares Münchener Übergewicht gegenüber ALBAs Trio David McCormack, Yanni Wetzell und Tim Schneider.
Rekordverdächtig: Unser Weltmeister Andreas Obst hat seinen Ruf als herausragender Dreierspezialist auch in dieser Saison schon untermauert. Vor sechs Wochen stellte er im Spiel gegen den FC Barcelona mit 11/16 Dreiern einen neuen EuroLeague-Rekord auf und entthronte damit den ehemaligen Berliner Marcus Eriksson, der vor vier Jahren ALBA mit 10/13 Dreiern zu einem Sieg gegen Khimki Moskau geworfen hatte. Als Nachfolger für den mittlerweile abgetretenen Schweden hat ALBA 2023 Matt Thomas verpflichtet, der aktuell nach einer längeren Verletzungspause aber noch seinen Wurfrhythmus sucht. Am Donnerstag gegen Monaco gelangen ihm immerhin schon wieder 4/7 Dreier (Andreas Obst kam in Madrid nur auf 1/6). Den 1998 von Hurl Beechum aufgestellten Dreier-Rekord der easyCredit BBL hat kürzlich der Bonner Darius McGhee mit 12/16 Dreiern in Chemnitz eingestellt.
Im Blick des Bundestrainers: Es gibt auch Gewinner in Berlin, z.B. Elias Rapieque. Der 20-jährige Forward, der Deutschlands U20-Auswahl im vergangenen Sommer bei der EM in Polen als bester Scorer und zweitbester Assistgeber anführte, erhält angesichts der Berliner Verletzungsmisere viel mehr Minuten als ursprünglich geplant und nutzt diese Chance in großartiger Weise. Am Donnerstag stand der Allrounder in der EuroLeague gegen Monaco schon zum vierten Mal in ALBAs erster Fünf und rechtfertigte das Vertrauen von Trainer Israel Gonzalez mit neun Punkten, sieben Rebounds und drei Assists in 21 Minuten. Auch bei den Bayern hat die Zukunft mit Ivan Kharchenkov einen Platz im Team. Der junge Guard, der im vergangenen Sommer bei der U18-EM in Finnland im Finale gegen Serbien 18 Punkte, zehn Rebounds und acht Assists zum deutschen Titelgewinn beisteuerte, erhält unter Trainer Gordon Herbert schon regelmäßig seine Minuten im Profiteam und stellte am vergangenen Spieltag in der easyCredit BBL in Frankfurt mit 20 Punkten eine neue Karrierebestleistung auf – mit erst 18 Jahren!
Zahlen, bitte: In der Tabelle trennen München und Berlin Welten, aber nicht so in den Statistiken der easyCredit BBL. ALBA erzielt mehr Punkte (84,7 PPG) als die Bayern (82,0 PPG) und legt mit 47,1 Prozent auch eine bessere Wurfquote als die Münchener auf (nur 44,7 Prozent). Bei den Assists (Berlin 19,5 und München 18,8) sowie den Ballverlusten (Berlin 13,0 und München 14,7) hat ALBA ebenfalls die Nase vorn. Einzig bei den Rebounds rangieren die Münchener mit 39,6 RPG deutlich vor den Berlinern (36,0 RPG) und natürlich in der alles entscheidenden Statistik – der Tabelle!
Die ewige Bilanz: Seit dem Münchener Aufstieg 2011 gab es in der ersten Liga und dem Pokal schon 70 nationale Pflichtspiele zwischen diesen beiden Klubs, wobei Berlin 31 Partien gewann und München 39. Dass beide Clubs sich dabei in den Playoffs öfter gegenüberstanden als in Punktspielen, bringt den Klassiker-Status dieses Duells auf den Punkt. Von den bisherigen Punktspielen gewann ALBA 13 und die Bayern nur zwölf. In bislang neun Playoff-Serien (davon sechsmal im Finale) sammelten hingegen die Bayern 23 und Berlin nur 13 Siege (nach Serien 7:2 für München). Im Pokal (zweimal im Finale) steht es zwischen ALBA und den Bayern unentschieden 4:4. 2014 gewann Berlin zudem gegen die Bayern den heute nicht mehr ausgespielten Champions Cup.
EuroLeague-Derby: Am 14. November trafen beide Teams bereits in der EuroLeague aufeinander, aber dieses deutsche Derby war ein Muster ohne Wert. Auf dem Höhepunkt ihrer Verletzungsmisere waren die ohne sieben Stammspieler angereisten Berliner bei den nahezu kompletten Münchenern trotz 23 Punkten von Matteo Spagnolo und 18 von Trevion Williams ohne Chance. Die Bayern gewannen mit 25 Punkten von Carsen Edwards und 18 von Devin Booker 115:88.
Am Rande der Bande: Neben den bereits oben thematisierten möglichen Ausfällen von Martin Hermannsson und Nick Weiler-Babb fehlen bei den Bayern weiterhin Vladimir Lucic und bei ALBA Justin Bean sowie Louis Olinde.
Alte Bekannte: Allmählich haben sich die Berliner Fans daran gewöhnt, ihren ehemaligen Kapitän Niels Giffey im roten Trikot der Bayern wiederzusehen. Der gebürtige Berliner spielte nach dem zweifachen Gewinn der NCCA (mit North Carolina 2011 und 2014 übrigens an der Seite des heutigen Müncheners Shabazz Napier) bis 2021 sieben Saisons für seinen Heimatverein und wurde mit ALBA zweimal Deutscher Meister und zweimal Pokalsieger. Jetzt spielt der Weltmeister schon seine dritte Saison für die Bayern. Aber auch der gebürtige Münchener Oscar da Silva kehrt mit guten Erinnerungen in die Berliner Uber Arena zurück, die in der Saison 2021/22 sein Zuhause war. Mit ALBA gewann er in jener Saison das Double. Zehn Jahre vorher war Gordon Herbert Trainer der Albatrosse, aber an diese Saison 2011/12 erinnern sich beide Seiten nicht so gerne und auch wir gucken deshalb im Folgenden lieber wieder in die Zukunft.
M/W/D - Germand Basketball is mad sexy: In der NBA sind beide Wagner-Brüder verletzt, und ALBA steht so schlecht wie noch nie da. Es gab schon fröhlichere Basketball-Jahreswechsel in der Hauptstadt. Aber wie sagte 1974 schon der legendäre Fernsehmoderator Robert Lemke: „Mit etwas Geschick kann man sich aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, eine Treppe bauen.” Es wird auch wieder bessere Zeiten geben, und dann ist German Basketball auch in Berlin wieder sexy!
Fernsehen / Livestream: Die Partie wird Sonntag ab 14:45 Uhr live bei Dyn übertragen. Kommentator vor Ort ist Florian von Stackelberg. Sebastian Meichsner moderiert und Heiko Schaffartzik ist der Experte. Dyn ist das Zuhause der Basketballfans. Der Sender strahlt alle Begegnungen der easyCredit BBL, des BBL Pokals sowie Spiele der Basketball Champions League aus. Das umfangreiche Basketball Live-Programm wird von redaktionellen Formaten ergänzt, die auf der Dyn-Plattform und im Anschluss über die Social-Media-Kanäle von Dyn frei empfangbar sein werden. Dyn ist über den Webbrowser, Mobilgeräte, Tablets, Streaming-Sticks und Smart-TVs verfügbar. Für Sportfans, von Sportfans. Dyn Basketball. Dein Sender. Dein Sport.